Reformation 2017 in den Kirchenkreisen Aachen . Jülich . Gladbach-Neuss . Krefeld-Viersen

Andacht zu Johannes 8,31-36

Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Nachkommen und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

2017 ist ein Jahr der dankbaren Erinnerung. Wir erinnern uns an die Frauen und Männer des 16. Jahrhunderts, die sich in ihrem Wirken entschieden hatten für die erkannte Wahrheit des Evangeliums gegen eine unkenntlich gewordene Kirche. Wir freuen uns, dass wir uns nun 500 Jahre später auf der „Reformationssynode“ in Rheydt und auf dem „Fest der Begegnung“ in Jülich mit Freundinnen und Freunden aus aller Welt, aus den Niederlanden, Belgien, England, aus Namibia, Marokko, Tansania, Argentinien und Indonesien getroffen haben, um dies zu bedenken und zu Feiern. Wir dürfen wahrnehmen, dass Gottes Wort nicht leer wieder zu ihm zurückkehrt (Jesaja 55). Es hat unter uns viele Menschen seit Generationen immer wieder getröstet, gestärkt, aufgerichtet und ihnen den Weg gewiesen. Es hat sie frei gemacht. Daran erinnern wir uns dankbar.

Aber mit der Erinnerung ist das so eine Sache. Wenn wir uns nur erinnern, um eine gute Zeit zu haben, um uns auf die Schultern zu klopfen und zu sagen „Prima - weiter so!“ - dann erleben wir, dass uns Gottes Wort richtet. Wir erkennen dann: „Wir sind der Sünde Knecht.“

So fragen wir uns, wie hat Gottes Wort unter uns gewirkt, wo sind wir seinem Wirken unter uns die Dankbarkeit und die Konsequenz schuldig geblieben. Es mag ungewöhnlich sein, wenn man uns Evangelische in Deutschland im Jahr 2017 betrachtet. 500 Jahre Reformation, das müsste doch ein großes Jubelfest sein, ungestört durch Nachdenklichkeit, oder?

Stattdessen stellen wir uns dem Antijudaismus Luthers und wissen um die Gefahren des Antisemitismus. Wir versuchen die Folgen der Globalisierung zu begreifen, erleben, wie wir es uns in den Ungerechtigkeiten der Welt ganz gut eingerichtet haben. Wir lernen: Viele Konflikte, die uns Angst machen und von denen wir glauben, dass unseren Lebensstil bedrohen, sind nicht zu trennen von der Kolonial- und Ausbeutungsgeschichte.

Wir nehmen das wahr und erkennen, dass auch wir als Kirche untrennbar in diese Schuldgeschichte eingewoben sind.

Ich bin Pfarrer in der Eifel, an der Stadtkirche in Monschau. Und ein Ort wir die Stadtkirche Monschau kann uns das leicht vor Augen führen. Viele Menschen berührt die elegante, schlichte, konzentrierte Schönheit dieser Kirche. Die hohe Kunstfertigkeit der Baumeister und Handwerker hat ein einzigartiges Denkmal geschaffen. Finanziert von lutherischen Tuchmachern und Kaufleuten des 18. Jahrhunderts.

Und doch ist dieser schöne Raum nicht zu trennen von der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Monschaus. Da ist zum einen dies:

Den Reichtum der lutherischen Tuchmacher und Kaufleute haben tausende Arbeiterinnen und Arbeiter unter teils erbärmlichen Arbeitsbedingungen in den Wollwaschkellern und an den Webstühlen erschaffen. Das helle, strahlende Licht unseres wunderbaren Monschauer Kirchraums, es steht im scharfen Gegensatz zu den dunklen, lauten und muffigen Kammern der vielen Manufakturen. Das Wort Gottes nennt dies: „Wir sind der Sünde Knecht.“

Und da ist zum anderen dies: Im August 1914 schepperten die Scheiben dieser Kirche, weil die deutsche Armee 60 Kilometer entfernt das benachbarte, belgische Lüttich mit großer Gewalt unter Beschuss nahm. 1921 weihte die Gemeinde in der Kirche zwei Gedenktafeln an die Gefallenen des Krieges ein. Die Erinnerungen verklärten aber nur das Elend von Krieg und Zerstörung, von Tod und unermesslichem Leid, so dass 18 Jahre später von hier aus erneut ein noch grausamerer und vernichtenderer Krieg vom Zaun gebrochen wurde. Diese Form der Erinnerung schärft nicht das Gewissen, sondern macht es blind.

Jede Erinnerungsfeier, die uns nicht auch verändert, uns nicht in Frage stellt, läuft Gefahr, Götzendienst zu werden. Jedes Reformationsgedenken, das uns nicht demütig an die Opfer unsere eigenen religiösen Verblendungen erinnert, ist Gotteslästerung. Jedes Gefallenengedenken, das uns nicht wirklich zum Frieden und zur Versöhnung mahnt, ist falscher Gottesdienst. Jeder nationaler Feiertag, der uns nicht zum Überwinden von Grenzen aufruft, ist gegen Gottes grenzenlose Liebe. „Der Sünde Knecht sein.“

„Wenn euch nun der Sohn frei macht, dann seid ihr wirklich frei.“

Die christliche Freiheit, die allein auf Christus vertraut und baut, ist die wirkliche Freiheit. Und diese Freiheit liegt in der Bindung an Gottes Wort. So wie Martin Luther das 1520 ausgedrückt hat: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

So von Gottes Wort in Frage gestellt und gerichtet, aber eben auch ermutigt und aufgerichtet, können wir ihm dankbar mit Seiner Hilfe folgen. So gibt sich uns unser Herr Jesus Christus selbst, wenn wir uns in Wort und Sakrament so an ihn erinnern und bekennen, dass er wahr und wirklich unter uns ist.

Pfr. Jens-Peter Bentzin
Evangelische Kirchengemeinde Monschauer Land

Gottes Wort
kehrt nicht wieder leer
zu ihm zurück. Jesaja 55

Pfarrerin Friederike Lambrich

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